Die Paretzer Dorfkirche

Die Apotheose der Königin Luise in der Paretzer Dorfkirche

Winterabendvortrag von Matthias Marr

 

Schon 2020 konnte die Saison unserer Winterabendvortäge im 25. Jahr Corona-bedingt nicht zuende geführt werden. Auch konnte nicht gebührend gefeiert werden, dass die berühmte Apotheose 2020 seit 200 Jahre in der Königsloge der Paretzer Dorfkirche steht. Auch 2021 konnten leider keine Winterabendvorträge stattfinden.

 

Wir haben uns deshalb etwas neues überlegt: Hören Sie hier den Vortrag von Matthias Marr, gelesen von Hans Jochen Röhrig und mit den Bildern zum Vortrag versehen.

 

Nehmen Sie sich eine halbe Stunde Zeit, wir hoffen auf Ihr wohlwollendes Interesse.

Zugang zur Königsloge (Foto: U. Steckhan)

Die Dorfkirche geht in ihren Ursprüngen (Chor) auf die Zeit um 1200 zurück. Bedeutung erlangte sie allerdings erst durch ihre frühklassizistische Überformung 1797/98. Die Initiative dazu ging vom preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm (III.) aus, die Pläne und Ideen dazu stammten von David Gilly, Martin Friedrich Raabe (17 -1852) und dem künstlerisch begabten Hofmarschall des Kronprinzen, Valentin von Massow (1752-1817).

 

Die Kirche war vermutlich die erste preußische Dorfkirche die im Stile der Neugotik errichtet wurde (Quelle: Prof. Hans Joachim Giersberg). Vielfach umgebaut wurde die Dorfkirche zwischen 1983 und 1985 im Äußeren nach dem Vorbild von 1797/98 wiederhergestellt. Diese Fassung wurde 2005 nochmals aufgefrischt und von 2008-2010 auch das Innere der Kirche entsprechend dem ursprünglichen Zustand rekonstruiert.

Foto: U. Steckhan

Der baufällige alte Kirchturm wurde abgerissen und komplett erneuert.

In der Mitte der aufstuckierten Rosette über dem Eingang unterm Turm ist ein Rabe zu sehen. ein Hinweis auf den Architekten un Baukondukteur Martin Rabe.

Foto: Uwe Steckhan

Links, etwas erhöht in einer Art Querschiff, ist die Königsloge.

Rechts, hinter der Kanzel liegt heute die Sakristei, früher war es die Ofiziersloge.
Das Altarbild wurde 2013 wieder aufgestellt.

Foto: Uwe Steckhan

Blick Richtung Eingang und Orgelempore. Die Orgel wurde 1864 von der renomierten Firma Ludwig Gesell aus Potsdam gebaut. Sie ersetzte eine ältere, von Königin Luise gestiftete Orgel.

 

2013 wurde die Orgel aufwendig saniert und ist heute optisch und klanglich ein Genuss.

Foto: Uwe Steckhan

Das aufgemalte Netzrippengewölbe. Tatsächlich ist es ein leicht spitz zulaufendes Tonnengewölbe unter dem Bohlenbinder-Dach, einer sparsame Konstruktion für größere Spannweiten, die David Gilly gerne nutzte.

Foto: Uwe Steckhan

Nach dem Umbau 1856/57 nach Plänen des Berliner Architekten Friedrich August Stüler (1800 - 1865) wurden u.a. auf jeder Seite des Kirchenraums 2 zusätzlich Fester eingebaut, wodurch der Innenraum deutlich heller wurde.

Foto: Uwe Steckhan

Das jeweils mittlere Fenster ist mit einer Rundscheibe verziert. Die Originale stammen aus dem Liebfrauenkloster in Magdeburg und wurden ca. 1820 hier eingesetzt. Sie Stammen aus der Zeit um 1200 und stellen biblische Tugenden dar, auf der Südseite Oboedientia (Gehorsam). 

 

Die Originale befinden sich heute im Dommuseum in Brandenburg.

Foto: Susanne Weber

Die Apotheose der Königin Luise von Preußen, ein Tonrelief von Johann Gottfried Schadow von 1811, ist das bedeutendste Kunstwerk von Paretz. Seit 1820 befindet sich das Kunstwerk an der Westwand der Königsloge.

Die Apotheose  (altgriechisch ἀποθέωσις apothéōsis „Vergottung“) der Königin Luise

Die Gedenktafel für Königin Luise wird im Dehio - Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler als „vorzügliche“ Bildhauerarbeit bezeichnet.

 

Theodor Fontane hingegen schätzte das Kunstwerk nicht. Er schreibt in seinen "Wanderungen" in einem der Kapitel über Paretz zur Apotheose:

"Schadow, sonst von so gutem Geschmack, vergriff sich in diesem Falle, wie uns scheinen will, und die Inschrift eines von einem Engel gehaltenen Schildes gibt Auskunft darüber, wie er sich vergriff. Diese Inschrift lautet: »Hohenzieritz, den 19. Juli 1810, vertauschte Sie die irdische Krone mit der himmlischen, umgeben von Hoffnung, Liebe, Glaube und Treue, und in tiefe Trauer versinken Brennus und Borussia.« Wir haben hier Kunstmengerei und Religionsmengerei, alles beieinander. Die Verdienste der Arbeit sind nichtsdestoweniger bedeutend, aber sie sind mehr technischer Natur und greifen zum Teil auf das Gebiet der Kunstindustrie hinüber."

 

Heute ist die Wertung eine andere - und die kunstgeschichtliche Bedeutung des Werks unbestritten.

 

Im Jahr 2020 ist die Apotheose 200 Jahre an Ort und Stelle - durch alle Widrigkeiten hindurch verblieb sie immer an ihrem Platz.

Foto: Uwe Steckhan (Ausschnitt)

Adelheid Schendel: "Die im Zentrum einer gotischen Stuckrosette über dem Eingang der Paretzer Kirche angebrachte Darstellung eines Raben zeugte ebenfalls von dem Stolz des Baukondukteurs Martin Rabe, an einem solchen Bauwerk mitgewirkt zu haben"

 

Zitat aus: "Paretz - Ein Musterbeispiel preußischer Landbaukunst um 1800" in 

Brandenburgische Denkmalpflege, Jahrgang 6 - 1997 - Heft 1